Quantencomputing: Wenn ein technischer Wunschtraum zur Realität wird

Wie Quantencomputer die Informationstechnologien und andere Arbeitsbereiche heute schon revolutioniert

Bereits Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts schrieb der IBM-Spezialist Charles H. Bennett die Worte „quantum information theory“ in sein Notizbuch. Die amerikanischen Physiker Richard Feynman und Peter Shor veröffentlichten 1982 und 1994 zwei viel beachtete Arbeiten, welche wichtige theoretische Grundlagen für die Nutzung von Quantencomputern beschreiben. Den ersten praktikablen Bauplan publizierten 1995 die Physiker Peter Zoller und Ignacio Cirac – einen Vorschlag für einen Ionenfallen-Quantencomputer. Noch heute jedoch umgibt den Begriff Quantencomputer die Aura einer erdachten Erfindung. Doch die Realität ist mittlerweile viel futuristischer, als man meinen möchte.

Selbst die Einordnung von Wissenschaftsmagazinen, die 2019 meinten, „[n]och steck[e] der Quantencomputer aber in den Kinderschuhen“, scheint wenige Jahre später überholt. Bei IBM ist man sich jedenfalls sicher, dass schon heute viele Unternehmen die Planungsphase beginnen müssen, um von der breiten Anwendungsvielfalt des Quantencomputing, die spätestens in der nächsten Dekade erwartet wird, nicht überrollt zu werden.

Wieso ist das so? Nehmen wir als Beispiel Passwörter. Heute bieten diese für viele – auch kritische – Anwendungen zumeist ein hinreichendes Maß an Sicherheit. Doch das ist mit der intensiven Nutzung von Quantencomputern vorbei. Hier ist die herkömmliche Verschlüsselung von Hardware und Software kein Hindernis, denn sie kann in Sekunden oder Minuten ausgehebelt werden.

Die Brisanz steckt im Detail

Das ist schon heute von höchster Brisanz. So können doch momentan sicher scheinende verschlüsselte sensible Daten gestohlen, gesammelt und, mit der Rechenleistung eines Quantencomputers, mühelos entschlüsselt werden. Natürlich haben Quantencomputer daher schon vor längerer Zeit das Interesse von Militärs und Geheimdiensten rund um den Globus geweckt. Schließlich ist es eine Binsenweisheit, dass die Verfügungsgewalt über wichtige Daten ein mächtiges Werkzeug ist.

Sie fragen sich an dieser Stelle jedoch sicherlich, warum Ihnen persönlich Quantencomputing nützlich sein kann und welche Anwendungsgebiete dadurch erschlossen werden können. IBM ist an dieser Stelle noch herausfordernder und fragt: „Sind Sie bereit?“. Als Antwort heißt es beinahe schon lapidar und mit beängstigender Gewissheit: In den nächsten zehn Jahren werde Quantencomputing Business und Gesellschaft transformieren.

Wie sehen nun diese Transformationsprozesse aus, die durch Quantencomputing zu erwarten sind?

Hier verschafft ein Blick auf das Anwendungsbeispiel von der Daimler AG bei der Nutzung der IBM-Quantencomputing-Technologie Klarheit. Daimler ist nämlich bestrebt, die Batterietechnologie zu optimieren, die in den Fahrzeugen des weltweit agierenden Automobilkonzerns zum Einsatz kommt. Im Bereich der Materialforschung, z.B. um Lithium-Sulfur-Batterien leistungsstark, effizient, kosteneffizient oder leicht herstellbar zu gestalten, können Quantencomputer wertvolle Dienste leisten. Was heute noch eine hypothetische Batterietechnologie ist, könnte somit ausgesprochen erschwingliche Preise bei Elektroautos zur Folge haben und zu einem attraktiven Milliardenmarkt werden.

Sie haben weder etwas mit Batterien noch mit Verschlüsselung zu tun. Was also kann Quantencomputing noch für Sie leisten?

Immer dann, wenn es um hochkomplexe Berechnungen geht, ist Quantencomputing Ihre erste Wahl. Allerdings sind die zukünftig möglichen Anwendungsgebiete noch gar nicht gänzlich erschlossen, zumal für das Quantencomputing eine ganz neue Art der Programmierung und neuartige Algorithmen erforderlich sind. Entwickler können daher (teilweise sogar unentgeltlich) auf die Quantencomputing-Infrastruktur von IBM zugreifen, um die revolutionäre neue Technologie mitzugestalten. Eine Liste, welche die Anwendungsbereiche von Quantencomputing in ihrer Breite aufzeigt, könnte wie folgt aussehen:

  • Zeitnahe Auswertung sowie Verwaltung von Big Data und die sichere Erkennung von Ihnen zu definierenden komplexen Mustern, die selbst die leistungsstärksten Rechenzentren nicht bedarfsgerecht auswerten können
  • Diverse Anwendungen aus dem Bereich von KI, die ein bisher ungekanntes Ausmaß an Rechenleistung benötigen.
  • Die Analyse komplexer Eigenschaften von chemischen, biologischen oder biochemischen Molekülen sowie deren Zusammenwirken beziehungsweise deren Wirkungspotenzial für biologische Organismen
  • Der Einsatz nicht frei programmierbarer, auf bestimmte Anwendungsbereiche zugeschnittener Quantencomputer, die etwa Navigationssysteme und deren Echtzeitfunktionen optimieren sollen (aktuelle Streckenanalyse nach Verkehrssituation, Stauumfahrung …)
  • Cloudcomputing, das die Vorteile der Rechenleistung von Quantencomputing für jedermann verfügbar macht (Hier ist insbesondere IBM ein Vorreiter)
  • Echtzeitberechnungen von komplexen Buchungsvorgängen im Bankenwesen
  • Die Bewertung von Finanzrisiken für Banken
  • Vielfältige individuelle medizinische Behandlungsansätze
  • Erforschung sowie Herstellung von neuen Materialien
  • Die Neuordnung oder optimierte Reorganisation von Versorgungs- und Lieferketten
  • (Echtzeit-)Simulationen des Verhaltens von Ökosystemen, einschließlich Wetter, Tektonik und Einwirkungen von Himmelskörpern unterschiedlichster Art
  • Präzise Vorhersagen von ökonomischen, biologischen, meteorologischen und sonstigen Vorgängen
  • Effizientere Suche in Internetdatenbanken
  • Kontrolle von Abläufen, etwa für eine unfehlbare Luftraumüberwachung oder eine optimale Logistik
  • Die Gestaltung einer neuen Netzwerkinfrastruktur durch Telekommunikationsunternehmen
  • Die Optimierung von globalen Schifffahrtsrouten (etwa durch die Gesellschaft ExxonMobil, die zu diesem Zweck mit IBM zusammenarbeitet)

Je mehr konkrete Vorstellungen für Verbesserungen oder Anwendungsmöglichkeiten Sie haben, desto breiter gefächert können die Lösungsansätze werden, die Ihnen das Quantencomputing bieten kann.

Quantencomputing – was beschreibt der Begriff eigentlich genau?

Diese Frage muss in zwei Schritten beantwortet werden, denn einerseits bedienen sich die Entwickler der Quantenmechanik, einem Konzept, das lange Zeit ausschließlich im Bereich der theoretischen Physik beheimatet war. Andererseits haben wir es mittlerweile mit realen technischen Maschinen zu tun, deren Funktionsweise gleichermaßen erklärungsbedürftig ist, da sie sich von den Prinzipien, von herkömmlichen Computern und Supercomputern, markant unterscheidet. Da die praktische Anwendung für Sie sicherlich von zentralem Interesse ist, wenden wir uns zunächst der Funktionsweise von Quantencomputern zu.

Was also ist ein Quantencomputer?

Ein Quantencomputer ist eine Rechenmaschine, welche insbesondere bei komplexen Problemen eingesetzt werden kann und sich auch dann nicht „aufhängt“, wenn die modernsten Supercomputer schon an ihre Grenzen gestoßen sind.

Im Gegensatz zu Supercomputern, die problemlos die Größe von Gebäuden erreichen können, sind Quantencomputer elegante und vergleichsweise kleine Geräte, die jedoch mit einem außergewöhnlich leistungsstarken Kühlsystem ausgerüstet sein müssen. IBM vergleicht den gesamten Hardwareumfang eines Quantencomputers mit der Größe eines Autos, wobei die Kühlsysteme den größten Platz einnehmen. Das liegt daran, dass die Elementarteilchen, die in diesem innovativen Computerkonzept für die Rechenleistung sorgen (z. B. bei IBM), bis auf ein hundertstel Grad nahe dem absoluten Nullpunkt von 0 Kelvin heruntergekühlt werden müssen.
Warum das so ist, liegt auf der Hand: Elementarteilchen bewegen sich von Natur aus gerne und viel. Damit man sie gezielt manipulieren und mit Sinngehalt, also mit zu berechnenden Informationen füttern kann, müssen sie möglichst kühl und somit nahezu bewegungsunfähig gehalten werden. Außerdem müssen alle äußeren Einflüsse minimiert werden, wenn unkontrollierte Bewegung vermieden werden soll. Die verwendeten Elementarteilchen geraten in Sekunden oder gar in Bruchteilen von Sekunden selbst in Bewegung, sodass eingeleitete Rechenoperationen bis dahin abgeschlossen sein müssen.

Wieso engagieren sich mittlerweile so viele Unternehmen und Forscher bei einer Technik, die so sensibel gehandhabt werden muss?

Wo Supercomputer versagen bzw. Tage, Wochen, Monate oder gar Jahrzehnte benötigen würden, brilliert Quantencomputing mit exakten Rechenergebnissen binnen Sekunden oder Minuten. Dadurch steht bereits die gesamte bewährte RSA-Verschlüsselung auf dem Spiel, da sie mithilfe des Quantencomputings leicht umgangen werden kann. Dagegen ermöglicht beispielsweise die neue Quantum-Key-Distribution dem Fraunhofer-Institut zufolge eine absolut abhörsichere Kommunikation, welche den quantenmechanischen Eigenschaften des Quantencomputings zu verdanken ist. Auch die von uns in den Anwendungsbeispielen aufgeführte Optimierung von globalen Schifffahrtsrouten ist ein Beispiel aus der Praxis: ExxonMobil arbeitete als erster Energiekonzern mit IBM zusammen, denn mit globalen Schifffahrtsrouten waren herkömmliche Superrechner überfordert. Denn wenn es um den weltweiten Schiffsverkehr geht, stehen sehr schnell große Milliardensummen im Raum.

Bei sicherer Kommunikation, bei der Berechnung von Protein-Zuständen im Medizinbereich, bei der Auswertung von Big Data oder bei der Programmierung von KI-Systemen ist es nicht anders.

Die Quantenmechanik und weitere wichtige Grundlagen aus der Physik

Sich den Unterschied zwischen Quantencomputing und herkömmlichen Computern klarzumachen, ist eigentlich nicht schwer. Statt Bits gibt es Quanten-Bits, die sogenannten Qubits.
Ein Bit bei einem herkömmlichen Computer kann nur für eine „0“ oder für eine „1“ stehen und mit jedem Bit wächst die Rechenleistung des Rechners linear.
Ein Qubit kann hingegen simultan für „0“ und „1“ stehen. Das wird als Superposition bezeichnet, erhöht die Rechenleistung bereits enorm und mit jedem weiteren zur Verfügung stehenden Qubit steigt die Rechenleistung exponentiell an.

Die Superposition verursacht jedoch auch Zwischenzustände, die Interferenzen genannt werden und weitere Informationsgehalte aufnehmen können. Da bestimmte Elementarteilchen voneinander abhängig sind – die sogenannte Verschränkung – sind auch bestimmte Qubits verschränkt/abhängig, was dafür sorgt, dass noch mehr Informationen gespeichert werden können.

Wir halten also fest: Qubits haben mittels Superposition, Interferenzen und Verschränkung viel mehr Kapazitäten Information zu speichern wie herkömmliche Bits. Im Gegensatz zum linearen Leistungsanstieg bei steigender Bitanzahl gibt es mit jedem weiteren Qubit bei Quantencomputern daher einen exponentiellen Leistungsanstieg bei der Rechenleistung. Beispielsweise das Fraunhofer-Institut bietet Ihnen hierzu leicht verständliche, weiterführende Informationen.

Wie realitätsnah ist der sinnvolle Einsatz von Quantencomputern?

Aktuell versuchen Microsoft, Intel, Google, IBM oder auch Staaten wie China und viele weitere Akteure fieberhaft, zuverlässige praxistaugliche Quantencomputer herzustellen, in Betrieb zu nehmen oder bereits mit Partnern auszuprobieren. Durch Cloudcomputing sind einige dieser Rechenlösungen jetzt schon für ein breites Publikum verfügbar gemacht worden. Mit der Prognose, dass um 2030 eine regelrechte Revolution durch diese Technologie eingeläutet wird, liegt IBM daher sicher nicht ganz falsch. Zudem ist es so, dass Anwendungsprogramme, Schnittstellen und sinnvoll nutzbare Algorithmen noch programmiert werden müssen, wobei das Quantencomputing verschiedene Herausforderungen für Programmierer und Hardware-Installateure bereithält. Den Branchenriesen wie Microsoft und IBM ist das natürlich sehr bewusst. Im Kontext dieser Situation ist der kostenfreie Zugang zu unterschiedlichen Quantencomputing-Lösungen bedeutsam. Wenn Entwickler sich frühzeitig mit dieser neuen Umgebung vertraut machen, werden sie voraussichtlich einen reibungsloseren Übergang zur Nutzung dieser neuen Technologie erleben.

Fazit

Es stellt sich nicht die Frage, ob Quantencomputing Informationstechnologien und Gesellschaft verändern wird. Das wird unzweifelhaft geschehen. Zu hoch ist die Abhängigkeit der Weltbevölkerung von großer Rechenleistung und davon abhängigen Produkten sowie Services. Auch die Bundesregierung investiert Milliarden in diese Technologie. Und bedenken Sie, dass Programme wie ChatGPT lange Zeit müde belächelt und als Spielerei abgetan wurden. Heute sind sie bereits eine ernsthafte Konkurrenz für Autoren kommerzieller Texte, wenn sie diese in verschiedenen Bereichen nicht schon längst verdrängt haben. Das Quantencomputing wird also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen, fraglich ist nur der genaue Zeitpunkt. Unserer Ansicht nach ist es allerdings nicht relevant, ob 2028, 2030 oder 2035. Entscheidend ist, dass die Revolution kommen wird. Schon jetzt ist der Wettlauf zwischen Tech-Unternehmen oder gar zwischen Staaten gewissermaßen in der heißen Phase.

Sicherlich, als Google 2019 seinen Quantum Supremacy Claim veröffentlichte ging es zunächst einmal um Prestige. Doch im Endeffekt geht es Konzernen und Staaten um die milliardenschweren Märkte in Bereichen wie KI, Big Data, Logistik, Materialforschung und Pharmazie. Für Staaten, Konzerne und bestimmte mittelständische Unternehmen sind fünf bis zehn Jahre schließlich ein Zeitraum, für den heute die Weichen gestellt werden müssen.

Mit Blick auf die Sicherheit verschlüsselter Daten und verschlüsselter Kommunikation ist der Zeitraum jedoch jetzt schon sehr kurz. Stellen Sie sich vor: Staaten oder Konkurrenzunternehmen haben verschlüsselte Kundendaten eines Unternehmens entwendet und gehortet. Heute ist das totes Kapital, aber in fünf Jahren kann ein solches illegales Data Harvesting existenzgefährdende Züge annehmen. Beruhigend ist, dass bereits jetzt an Verschlüsselungsmethoden geforscht wird, die selbst gegen die unbändige Rechenleistung des Quantencomputing ankommen können. Es ist also besser, sich heute schon mit dem Thema auseinanderzusetzen, bevor Geschäftskonzepte plötzlich obsolet, Datensicherheit gefährdet oder modernes Know-how mit einem Mal unbrauchbar werden.

Quantencomputing macht zwar vieles anders, dafür aber unheimlich schnell.